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Kapitel 1.2

 

Kapitel 1: Astrologie ist nicht gleich Astrologie

 

In dieser Schrift soll es um den Zugang zur Astrologie gehen, der derzeit in der westlichen Welt von den meisten Astrologen vertreten wird und der in der Tradition der großen Astrologen der Antike und des Mittelalters steht: PTOLOMAEUS, THOMAS VON AQUIN, KEPLER, um nur drei der bekanntesten Namen zu nennen. Ich will diese Art Astrologie "psychologische Astrologie" nennen und will durch zwei Zitate verdeutlichen, warum dieser Zugang in der Tradition großer Astrologen seit der Antike steht, obwohl doch die Psychologie eine sehr junge Wissenschaft ist. Von THOMAS VON AQUIN stammt der berühmte Satz: "Die Sterne machen geneigt, sie zwingen nicht." Und KEPLER war der Meinung, die (menschliche) Seele reagiere auf die planetaren Konstellationen wie auf die Konsonanzen und Dissonanzen in der Musik. Beide Autoren wenden sich gegen die damals wie heute verbreitete Vorstellung, man könne aus dem Horoskop sein Schicksal ablesen, und wenden sich damit gegen das fatalistische Mißverständnis der Astrologie im allgemeinen und der astrologischen Prognose im besonderen. Am Lauf der Gestirne kann ich weder ablesen, was mir widerfahren wird, noch, wie ich handeln werde. Die Stellung der Gestirne steht im Zusammenhang mit menschlichen Wesensmerkmalen (und, dadurch vermittelt, indirekt auch mit dem Schicksal eines Menschen).

Bei vielen zeitgenössischen Autoren wird dieser psychologische Zugang zur Astrologie verbunden mit esoterischen Gedankengängen, etwa der Vorstellung, daß jeder Mensch im Laufe der Jahrtausende viele Leben auf der Erde durchlebt (Reinkarnation: von lat. carnem = Fleisch: die Wieder-Fleisch-Werdung, auch Seelenwanderung genannt). Solche esoterischen Überlegungen werden in dieser Schrift keine Rolle spielen.

 

Die Berechtigung, Astrologie in einem ähnlichen Kontext zu sehen, wie das, was wir heute als Psychologie bezeichnen, wird unmittelbar einsichtig, wenn man sich verdeutlicht, daß Astrologie in erster Linie eine Typologie menschlicher Charaktere ist; sie ist sogar die älteste Typologie, die wir kennen. Gemeint ist damit allerdings nicht die populäre Typologie der sog. Sternzeichen, deren grob-gerasterte Charakterzüge man auf dem Packpapier vieler Zuckerwürfel nachlesen kann. Hier ist schon der Begriff unsinnig, denn es gibt in Wahrheit nur Tierkreiszeichen und Sternbilder; der Ausdruck Sternzeichen ist in sich widersinnig, wie noch deutlich werden wird.

 

Gemeint ist vielmehr, daß die Symbole der Astrologie Bilder für die Beschreibung menschlicher Wesenszüge darstellen, anschauliche Beschreibungen von etwas, das man in der modernen Psychologie als Persönlichkeits-Dimensionen bezeichnen würde. Dabei ist die Sprache der Astrologie farbiger und reichhaltiger, weil sie sich nicht, wie eine Psychologie mit "wissenschaftlichem Anspruch", auf das beschränken muß, was "meßbar" (zählbar, eindeutig definierbar) ist. Die Kombination der verschiedenen astrologischen Symbole führt zu einem individuellen Struktur-Bild (man nennt es "Horoskop", siehe Kap. 3). Durch die Interpretation dieses Struktur-Bildes ist es möglich, die psychische Dynamik eines Menschen in einer Differenziertheit zu beschreiben, an die kein heute gebräuchlicher psychologischer Test heranreicht. In den astrologischen Symbolen haben sich die in Jahrhunderten angesammelten Beobachtungen "der Alten" niedergeschlagen. Selbst wenn sich einmal erweisen sollte, daß es keinen realen Zusammenhang zwischen der Stellung der Gestirne und dem menschlichen Charakter gibt , ist die Auseinandersetzung mit der astrologischen Beschreibung menschlicher Typen von großem Gewinn für das eigene Selbstverständnis und, vor allem, das Verständnis meiner Mitmenschen.

 

Astrologie ist also, von Beginn an, in erster Linie eine Menschenkunde. Die Beschäftigung mit einer so verstandenen Astrologie weckt Verständnis für die unterschiedlichen Arten der Menschen, die Welt zu sehen und mit der sog. Realität umzugehen. Sie hilft mir, in den Verhaltensweisen anderer die gleichen Grundmotive wiederzuerkennen, die auch mich bewegen, nur ein wenig anders gemischt, mit anderer Akzentuierung. Sie hilft mir verstehen, welcher "Sinn" in Verhaltensweisen liegen kann, die mir vielleicht zunächst unverständlich oder gar unsympathisch sind.

 

Astrologie ist vom Ansatz her ganzheitlich. Wenn wir versuchen, das Phänomen "Leben" zu verstehen, und dabei einmal nicht nach biochemischen oder biophysikalischen Mechanismen suchen, sondern nach einheitlichen, ganzheitlichen Prinzipien, die für alles Leben gleichermaßen bedeutsam sind, die "Leben" gleichsam charakterisieren, dann finden wir in der Astrologie ein faszinierend stimmiges und in sich geschlossenes System.

 

Wir wissen heute, daß körperliches Geschehen, psychisches Geschehen und "äußeres Schicksal" eng miteinander verflochten sind. Die Verbindung körperlicher und psychischer Prozesse findet als "Psychosomatik" auch Eingang in die moderne Medizin. Astrologie kann uns helfen, den Zusammenhang zwischen "innerem" und "äußerem" Schicksal besser zu verstehen, aufmerksam zu werden auf die Art und Weise, in der wir unser Schicksal selbst herstellen, meist, ohne es bewußt zu bemerken. Der Dichter NOVALIS drückt dies so aus: "Schicksal und Seele sind zwei Namen für dasselbe Prinzip."

 

Damit berühren wir ein Gebiet, das unter Astrologen sehr kontrovers diskutiert wird, und von dem die meisten Menschen glauben, daß darin der eigentliche Sinn der Astrologie liege: die astrologische Vorhersage (Prognose). Ich werde in Kapitel 6 ausführlich die Möglichkeiten und Grenzen einer astrologischen Prognose diskutieren. Hier nur soviel:

 

Richtig verstanden sind astrologisch durchaus "Prognosen" (Vorhersagen) möglich. In den Wissenschaften wird überall prognostiziert: Der Arzt gibt eine Prognose über den vermutlichen Verlauf einer Krankheit, der Rat der "Fünf Weisen" gibt der Bundesregierung jedes Jahr eine Prognose über die zu vermutende wirtschaftliche Entwicklung, der Metereologe prognostiziert das Wetter. An all diesen Prognosen ist nichts Übernatürliches; ebensowenig ist etwas Übernatürliches an einer astrologischen Prognose.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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